Nach Malta unter weißen Segeln

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Nach Malta unter weißen Segeln

Welcome on board…

„Es könnte jetzt leicht passieren, dass Sie von mir eine Schiffsbesichtigung bekommen, denn ich bin selbst erst ein paar Tage an Bord“, entschuldigt sich vorsorglich der blutjunge, blauäugige Steward, den ich aufgrund seiner hellblonden Haare und dem Namen Niels auf der Anstecknadel als Schweden oder Dänen einschätze. Eigentlich soll er uns zu unserer Kabine begleiten, was auch auf Anhieb klappt. Unsere Originalkabine auf dem Windjammer Sea Cloud empfängt uns mit Stilmöbeln, goldenen Wasserhähnen und Champagner.

 

Nachdem wir unsere Kleidung in der Garderobe verstaut haben, geht es also zunächst selbst auf Erkundungstour des weltberühmten  Großseglers, der schon so viel erlebte. 1931 als private Luxusyacht eines amerikanischen Millionärsehepaars erbaut, diente sie aber auch als Kriegsschiff zur Wetterkunde. Nach weiteren Stationen und der Wiederinstandsetzung 1979 darf sich die legendäre Viermastbark seit 1994 als exklusives Kreuzfahrtschiff, Grande Dame und zugleich sportliche Stilikone zurück auf den Weltmeeren zeigen. Über kleine, schmale Treppen geht es vom Hauptdeck über das Promenadendeck hoch zum Lidodeck, wo zunächst  – Teilnahmepflicht für alle – eine Seenotrettungsübung stattfindet und erste Informationen warten. Die wichtigste Botschaft: Hier herrscht ein familiäres Miteinander, die Kabinen bleiben unverschlossen und zum gemeinsamen Abendessen trifft man sich bei freier Sitzplatzwahl. Edles Ambiente trifft auf freundschaftlich –legere Umgangsart: wie schön! Zum Diner werden die Gänge von Service Stewards serviert. Einer von ihnen ist Niels, der sich als Elsässer  entpuppt und durch sein strahlendes Lächeln sofort alle Herzen der Gäste für sich gewinnt. Zur Perlhuhnbrust mit Ratatouille und dem Red Snapper mit Spinatrisotto werden ausgewählte Weine serviert und Milan, ein phillippinischer Steward schenkt aufmerksam und mit einem herzerfrischenden  „enjoy“ nach. 21 Uhr – es ist soweit: alle werden an Deck gebeten und erleben das „Sail Away“ aus dem Hafen Civitavecchia bei einem Glas Sekt und angenehm leiser Klaviermusik. Ausschlafen…ein ganzer Seetag liegt vor uns mit Kurs auf Capri. Leider fehlt der Wind, aber die Passagiere genießen die ruhige Fahrt. Jeder der rund 60 Gäste findet seinen Lieblingsplatz in einem der zahlreichen Deckchairs oder in der „Blauen Lagune“, einer großen Liegefläche am Schiffsheck. Man liest, relaxt. Das leise Rauschen der Wellen ist wie eine beruhigende Melodie, die den Alltag vergessen lässt.

Nach dem Lunchbuffet am Lidodeck hält Kapitän Vladimir Pushkarev aus Russland eine Überraschung bereit. Er lässt Segel setzen, genaue Erklärungen inklusive. Wir sind erstaunt wie – völlig ohne Kommandos – jeder Handgriff der Crew sitzt. Ein eingespieltes Team, darunter zwei Frauen!  Aus dem schön drapierten Tauwerk wird plötzlich „laufendes Gut“, Matrosen und Matrosinnen klettern in die Wanten, balancieren (gesichert!) auf Lauftauen um das schwere Tuch zu lösen. Mast für Mast entfaltet sich die weiße Pracht, während Interessierte Segelkunde aus erster Hand erfahren.  Plötzlich steht sie da in ihrer majestätischen Schönheit und Eleganz, als würde das weiße, derbe Segeltuch erst das kontrastreiche i-Tüpfelchen zu Teak, Gold und Marmor bilden. Dann geht es weiter mit Kurs auf Capri, das wir am nächsten Morgen erreichen.

Ausgestattet mit Informationen durch den mitreisenden Lektor Tilman, weiß bereits jeder, wie er seine Zeit auf der rund 10 qkm großen Insel nützen will. Während einige die Villa Jovis besuchen, den einstigen Wohnsitz von Kaiser Tiberius, suchen andere den Aussichtspunkt auf die Felsformation der Faraglioni. Für die weltberühmte Grotta Azzurra ist die Zeit etwas knapp und so lassen wir uns nach dem Aufstieg in den auf 138 Meter über dem Meer liegenden Ort, einfach durch die Gassen  treiben und sind überwältigt von der Mini-Metropole, die an Shoppingqualität mit Mailand und London leicht mithält. Leider auch im Preisniveau! Gegen Mittag wird es Dank der unzähligen Tagestouristen immer enger in den schmalen Strassen und so sind wir nicht böse, wieder zurück auf unsere Oase kehren zu dürfen. Während unserem Mittagslunch,  bei  gegrilltem Wolfsbarsch und kühlem Rosé, nehmen wir Kurs auf die Amalfiküste.

Vorbei an Portofino, bei dem viele der Gäste in Erinnerungen schwelgen, ankern wir nachmittags vor dem geschichtsträchtigen Amalfi, der ältesten Seerepublik Italiens (weit vor Venedig!). Nach der Tea-Time setzen unsere Tender (Beiboote) ans Festland über und entlassen uns am Kai auf die Piazza Flavio Gioia. Hauptsehenswürdigkeit ist der Dom Sant‘ Andrea mit seiner majestätischen Treppe. Ursprünglich im Jahr  937 erbaut stürzte dieser jedoch 1861 ein und wurde mit neuer Fassade 1891 wiedererrichtet.  Das Chiostro del Paradiso präsentiert sich als Kreuzgang mit maurischen Bögen. Schönheiten ganz anderer Art findet man in kleinen Läden und im Papiermuseum: Handgeschöpftes Papier, oft mit Blüteneinlagerungen sind Unikate und neben Limoncello, dem Likör aus den weltberühmten Amalfi-Zitronen, beliebte Mitbringsel.

Während einige Gäste den Abend in den schicken Bars und Restaurants der Stadt verbringen, gibt es an Bord italienisches Buffet an Deck. Die Küchen-Crew hat die Zeit auf Capri für Einkäufe am Markt genützt. Gamberetti, Burrata und Artischockensalat… oder doch lieber Osso Buco oder von den gegrillten Calamari? Anneliese aus Tirol, die schiffseigene Patissière hat außerdem wieder die ganze Nacht lang gebacken. Neben vielerlei Brotsorten und Gebäck auch eine leckere Torta della Nonna. Eine unwiderstehliche Sünde! Danach trifft man sich an der Bar, lauscht dem Pianisten und freut sich über die Rückkunft der Stadtausflügler an Bord. Mittlerweile kennt fast jeder jeden und ein Plausch ist auf Deutsch oder zumindest Englisch mit allen möglich. Um Mitternacht heißt es „ciao Amalfi“ um langsam auf die Äolischen Inseln zuzusteuern. Sanft werden wir in den Schlaf geschaukelt und freuen uns über einen weiteren Seetag, der morgen vor uns liegt.

 

Ausgeschlafen und  mit großartigem Frühstücksbuffet verwöhnt, erwarten wir unseren Seetag.

Während einige Gäste von der Besichtigung des Maschinenraums zurückkommen und wir noch bei der letzten Tasse Kaffee sitzen, verändert sich plötzlich etwas. Es ist das Fahrgefühl – wir segeln! Der Wind hat etwas aufgefrischt und der Kapitän hat Segel setzen lassen. Sanft gleitet die Sea Cloud durch die Wellen. Um uns herum: nichts als das Meer.

Die meisten Gäste suchen sich ein Plätzchen auf der  vom Wind abgewandten Seite an Deck, lesen oder unterhalten sich. Auch die Brücke steht jederzeit offen, man kann sie besichtigen und die Besatzung immer alles fragen. Zweiter Offizier ist übrigens Fiona, eine junge Dame aus Australien. Eines gibt es auf der Bark nicht: Unterhaltungsprogramm und Animation. Niemand vermisst das. Auch am Bord eigenen Laptop – Internet funktioniert über Satellit – ist nie jemand zu sehen. Jeder genießt die Ruhe und das Loslassen des Alltags. Am zeitigen Nachmittag gibt Vladimir Pushkarev  beim „Captain’s Talk“ aktuelle Informationen zu erwartetem Wind und Wetter und den Chancen zu Segeln. Weil der Wind wieder nachgelassen hat, bietet er einen Badestopp an. Zwei Zodiacs  (motorisierte Schlauchboote) werden zu Wasser gelassen und markieren mit Bojen ein Schwimmareal. Sicherheit steht immer an erster Stelle!

Zwei Gäste wagen außerhalb einige Runden mit den Wasserskiern. Und auch ein Taucher ist unterwegs. Es ist Niels unser Service Steward, der seine Freistunde nützt. Mit Motorkraft nähern wir uns den Liparischen Inseln und glauben schon die eine oder andere Silhouette erkennen zu können. Doch erst nachts kommt es zum  heiß erwarteten „Scenic Cruising“ vorbei am Vulcan Stromboli.

Davor heißt es jedoch noch Open House Cocktail Party. Dabei dürfen die Originalkabinen der anderen Gäste angesehen werden; wer mitmachen will, lässt einfach die Türen weit geöffnet. Beeindruckend natürlich die riesige Eignerkabine mit weißen Stilmöbeln, Kamin und goldenen Armaturen an Waschbecken und Badewanne – alles einst von der reichen Lady Marjorie Merriweather Post selbst designt. Da hat es der Stromboli mit seiner derzeit mäßigen Aktivität schwer an Glanz mitzuhalten. Dennoch ist es ein Erlebnis nachts ganz dicht an ihm vorüberzuziehen und das orange Licht alle rund 12 Minuten über seiner Krateröffnung zu sehen. Die spektakuläre 32 Kilometer lange Passage durch die Strasse von Messina  verschlafen fast alle, denn schließlich wartet am nächsten Tag mit Sizilien ein neues Highlight. Unter vollen Segeln ankern wir  vor Giardini Naxos und setzen mit den Tendern (Beibooten) über.

Der Busfahrer, der uns nach  Taormina bringt, erzählt stolz, dass seine Heimat  derzeit etwas Besonderes für ihre Gäste biete. Wir würden dann schon sehen – aber erst bei Dunkelheit… So genießen wir zunächst die großartigen Ausblicke, die man vom 200 bis 300 Meter hoch liegenden Ort aus hat: auf die Küste und auf die, noch mit einem Schneehäubchen gezierte Erhebung im Osten – den Ätna. Auf dem autofreien Corso Umberto schlendern Touristen an eleganten Boutiquen, hübschen Cafés und verführerischen Pasticcerie vorbei, bewundern die prächtigen Kirchen, den Dom und die blühenden Gärten. Letztlich haben aber alle ein Ziel: das Teatro Greco aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., das Wahrzeichen Taorminas. Durch seine exponierte Lage auf dem Felsplateau des Monte Tauro ist es vielleicht eines der schönsten existierenden Theater der Antike.

Abends, zurück am Schiff, sehen wir einen breiten glutroten Lavastrom. Der Ätna ist derzeit besonders aktiv und ergießt sich in eine unbewohnte Region. Einige Mutige lassen es sich am nächsten Vormittag dennoch nicht entgehen, per Shuttle, Seilbahn und Allradfahrzeugen bis auf 2900 Meter Höhe ins Vulkangelände – eine riesige Kraterlandschaft –  zu fahren und dort Stellen zu erforschen, an denen Aktivität gut erkennbar ist. Stolz erzählen sie beim Ablegen von ihrem Ausflug und zeigen braunrote Lavasteine, liebenswerte kleine Trophäen. Unter Segeln nehmen wir Kurs auf Malta, der Wind legt zu und damit auch der Wellengang. Seekrank ist dennoch niemand an Bord  – zum Glück, denn heute ist Kapitäns-Dinner. Dem Kleidungsvorschlag „elegant“ sind alle gerne gefolgt und tragen so zu einem festlichen Abend bei, zu dem die uniformierte Führungsriege bei Sonnenuntergang mit Cocktail empfängt. Stimmungsvolle Momente, die in ewiger Erinnerung bleiben… Die unruhige Nacht wird entschädigt durch einen strahlenden, klaren Morgen.

Mit einem Lotsen an Bord fahren wir in den Hafen von Valletta ein. Unbeschreiblich ist das Licht, das die von Bastionen umkränzte Stadt regelrecht leuchten lässt. Ein würdiger Empfang für die Sea Cloud, die unter Maltesischer Flagge fährt und nun an „ihrer“ Pier festmacht.  Die ehrwürdige Ritterstadt, die auf einer Halbinsel liegt und komplett unter Denkmalschutz steht, ist UNESCO Weltkulturerbe. Treppenfluchten, steile Gassen und historische Bauten prägen das Bild, der im 16. Jh. schachbrettartig angelegten Stadt. An der Republic Street steht der prächtige Großmeisterpalast und auch die eindrucksvollste Kirche Vallettas: die St. John’s Co-Kathedrale des Johanniterordens. Es ist Sonntag. Alle Läden sind geschlossen, dafür sind die Straßen prunkvoll für ein Fest geschmückt, sogar Böllerschüsse sind zu hören. Erfüllt von der ganz eigenen Stimmung Vallettas  geht es zurück zur Sea Cloud, die eingezwängt zwischen zwei Kreuzfahrtriesen liegt. Tauschen würde keiner von uns wollen!

Noch einmal hat Schiffsdirektorin Heike einen Ausflug organisiert: per Bus geht es ins Inselinnere zur mittelalterlichen Stadt Mdina. Mit der Entstehung Vallettas verlor die ehemalige Hauptstadt ihre Stellung. Ihre Spuren lassen sich über 4000 Jahre zurückverfolgen. Heute leben dort nur noch rund 200 Menschen, aber wer ein Fest zu feiern hat, tut dies bis heute in einem der imposanten Anwesen von Mdina. Natürlich darf auf der Tour auch der Besuch des spätmegalithischen Hagar Qim Tempels nicht fehlen. Zum Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen wurde die auf 3600 v.Chr. datierte Ausgrabungsstätte mit einer Zeltkuppel überdacht. Mit Marsaxlokk erwartet uns ein malerisches Dorf an der südöstlichen Küste Maltas. Hunderte kleiner und mittlerer Fischerboote schenken der Bucht ein fröhliches, farbenprächtiges Aussehen. Vormittags, wenn die Luzzu zurück sind, geht es lebhaft zu in Marsaxlokk, denn dann ist Markt – und natürlich hat jeder den schönsten Fisch und das beste Gemüse.

Abends, nach einem letzten entspannten Abendessen an Deck geht es noch ans Visitenkarten tauschen und Koffer packen. 591 Seemeilen haben wir zurückgelegt, viele Eindrücke gesammelt und in wenigen Tagen haben sich Bekanntschaften gebildet  und sogar Freunde gefunden. Am nächsten Morgen heißt es verabschieden. Niels, unser Service Steward wird nachmittags bereits neue Gäste zu ihren Kabinen führen. Während wir etwas wehmütig das Schiff verlassen, das für eine Woche unser zuhause war, blickt einer schon wieder unbeirrt nach vorn aufs nächste Ziel: der goldene Adler, die mächtige Galionsfigur will „auf zu neuen Ufern“.

 

Alle Infos unter: 
www.seacloud.com

Besonderer Dank gilt der Firma Canon für die Bereitstellung der

Canon PowerShot G7 X Mark II

die für herausragend schöne Bilder sorgte!

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Alle Inhalte unterliegen dem Copyright und spiegeln lediglich die Meinung der Autorin wieder. Adelheid Wanninger, 2020