Durch den Schweizer Jura, entlang des Doubs
Die geologische sowie tektonische Einheit des Französischen und Schweizer Jura bildet ein Faltengebirge aus 150 bis 200 Millionen Jahre altem Gestein. Es besteht vorwiegend aus Kalkstein, etwas Mergel und Ton. Formationen aus tief eingeschnittenen Tälern sowie breiten Hochebenen mit Höhenunterschieden von oft mehr als 1000 Metern ergeben hier ein spannendes Landschaftsbild von besonderem Reiz. Wir besuchen den Schweizer Jura, dessen Grenze zu Frankreich überwiegend im Fluss Doubs verläuft.
Neuchâtel: Perle am Ufer des Neuenburger Sees
Unsere Reise beginnt in Neuchâtel, der Hauptstadt des gleichnamigen Kantons im französischsprachigen Teil der Schweiz. Malerisch schmiegt sich die Stadt zwischen das Nordufer des Neuenburgersees und die hier noch sanften Höhenzüge des Juras. Die Altstadt bezaubert mit sandsteinfarbenen Fassaden, mittelalterlichen Gassen und dem imposanten Schloss Neuchâtel. Bei einem Bummel durch das rund 45.000 Einwohnern zählende Städtchen wird schnell die Kombination aus französischem Flair verbunden mit schweizerischer Bodenständigkeit bemerkbar, was kombiniert zu hoher Lebensqualität führt. Die Lage am See und die Nähe zu den Jurahöhen machen Neuchâtel zum perfekten Ausgangspunkt für zahlreiche Freizeitaktivitäten.
Wanderungen im Creux du Van
Wir schrauben uns über eine schmale Strasse rund 1000 Höhenmeter hinauf zum Creux du Van – einem gewaltigen, hufeisenförmigen Felsenkessel der wirkt, als hätte die Natur selbst ein Amphitheater für den Blick in die Unendlichkeit geschaffen!
Mit 160 Meter hohen, fast senkrechten Felswänden umrahmt die Kalksteinformation ein natürliches Becken von etwa 1,4 Kilometern Durchmesser. Von hier oben bietet sich ein Panorama, das sich über die bewaldeten Hänge des Neuenburger Juras bis hin zu den fernen Alpen spannt. Ein junger Mann hat sich seinen Regiesessel hierhergebracht und genießt die Ruhe und Aussicht, die wie ein Gemälde wirkt. Steinmauern halten die Besucher auf dem Weg, der seit einiger Zeit nur noch ein Stück weit zu begehen ist. Zu viel sei von dem schönen Teppich aus wilden Alpenblumen achtlos zerstört worden, erklärt unsere Guide Monique.
Schifffahrt auf dem Lac de Brenet
Ein weiteres Naturhighlight erwartet uns. Im rund 600 Meter tiefer gelegenen Lac de Brenets. Der Doubs ist hier zu einem tiefblauen Becken gestaut. Bei einer Panoramaschifffahrt erkennt man so manche imposante Klippen, deren Formationen klangvolle Namen wie Fischerfelsen und Hercules-Platte tragen. Auch Fabelwesen und das Haupt von Louis-Phillipe sind dank ihrer Stein-Silhouetten zu bestaunen, daneben echte Bergziegen, die sich an einem Höhleneingang tummeln. Da, wo das Schiff in eine wildromantische Schlucht einbiegt, erreicht die Wassertiefe rund 40 Meter. Am Anlegeplatz „Saut-du-Doubs“ kann man bis zu einem Wasserfall wandern, der sich rasant rund 27 Meter in die Tiefe stürzt. Seine Tropfen spritzen dabei sowohl an die Ufer Frankreichs als auch der Schweiz. Im schlichten, aber guten Restaurant „Saut-du-Doubs“ lässt es sich noch herrlich auf der Terrasse speisen, bevor der Kapitän zur Rückfahrt ruft.
Auf der Weiterfahrt halten wir noch beim Aussichtspunkt Roches de Moron und genießen den Ausblick auf die spektakuläre Schleife des Doubs und die bewaldete Grenzregion.
Planstadt La Chaux-de-Fonds
Wie sollte es anders sein: Es geht wieder hinauf auf ein Hochplateau, denn hier liegt – inmitten grüner Wiesen – die berühmte Uhrmacherstadt La Chaux-de-Fonds auf rund 1000 Höhenmeter. Fast seltsam wirken beim Einfahren in die langgezogene Stadt die kerzengeraden Straßen, die regelmäßig von Querstrasßen durchzogen werden. Geradlinig, wie auch fast alle Bauten, die knapp 40 000 Einwohner beherbergen. Und dennoch wurde der Ort – zusammen mit der Zwillingsstadt Le Locle – zum UNESCO Welterbe erklärt. „Wegen der vollkommenen Symbiose zwischen Urbanismus und Industrie“, mit der diese Planstadt mit ihren zahlreichen Jugendstilbauten, den Anforderungen der Uhrenindustrie um 1900 herum nachkam.
Es ist eine Architektur, die dem Licht hohe Priorität einräumte. Licht war für die handwerkliche Erzeugung der feinen Uhrenteile unabdingbar und so erkennt man bis heute an den Gebäuden mit vielen Fenstern im obersten Stockwerk, dass hier Uhrmacher leb(t)en. Die Schönheit dieser Stadt erschließt sich sicher nicht auf den ersten Blick. Vielleicht erst dann, wenn man hinter die Eingangstüren sieht, wo oftmals besterhaltener Jugendstil im Inneren verborgen ist.
Grand Hotel Les Endroits
Zum Sonnenuntergang beziehen wir, etwas außerhalb und oberhalb der Stadt das moderne Grand Hotel Les Endroits. Eine luftige Oase der Ruhe und mit großzügigem Spa und schönen Räumen ausgestattet. Wer hier nicht residiert, sollte wenigstens hier speisen. Es lohnt sich, die ausgezeichnete Küche des Restaurant Le Corbusier kennenzulernen!
Mit der SBB Richtung Freiberge
Pünktlich fahren wir mit der Schweizer Bahn am nächsten Morgen nach Sainelégier, um uns dort die unberührte Landschaft der Freiberge am Hochplateau anzusehen. Die Region, die sich durch ihre ausgedehnten Weiden und Tannenlandschaften auszeichnet, ist ein Paradies für Naturliebhaber. Hier treffen wir auf Köchin Maria-Luisa Wenger, die als Landschaftskennerin auch Wildpflanzenspezialistin ist. Uns führt sie durch die herrliche Moorlandschaft rund um den Etang del a Gruere und erklärt auf dem Weg unzählige Wildkräuter, die sie für ihre Küche oder zu Heilzwecken verwendet. Allein die reine frische Luft um den aufgestauten See, in dem man übrigens auch baden darf, hat wohltuende Wirkung.
Schön, fast auf jeder Wiese Pferde weiden zu sehen, oft im Einklang mit Rindern zusammen. Hier scheint Mensch und Natur im selten gewordener Harmonie zu sein. Da, wo früher fast kein Leben war, weshalb dieses einst stark bewaldete Gebiet steuerfrei – daher der Begriff Freiberge – war, haben sich die Menschen ihre sogenannten Wytweiden geschaffen. Ein lockerer Baumbestand ziert die Weiden. Sie sind ein Sinnbild der jurassischen Landschaft, schön anzusehen und einer unglaublichen Artenvielfalt Raum gebend. Gesunde Böden, intakte Torfmoore, Weideflächen und lockerer Baumbestand, der der Forstwirtschaft Arbeit gibt, führen zu einer seltenen Symbiose aller Kreaturen.
So wurde hier auch die einzige Schweizer Pferderasse gezüchtet – die Freiberger, auch Franches-Montagnes genannt. Es sind brave Pferde, die früher zum Arbeiten dienten und heute meist zum Beritt gezüchtet werden. Traditionell wird ihnen die Mähne beschnitten. Der Schönheit wegen, erklärt Züchter Ernst Sprunger anhand seiner Stute Victoire. Fast wehmütig nehmen wir Abschied von Victoire, die noch ein Stück mit uns mittrottet.
Kanufahren am Doubs
Zu Mittag machen wir Halt in der Maison du Tourisme, die etwas außerhalb des nächsten Ortes direkt am Doubs liegt und mit ihrer großen Terrasse zur Rast einlädt. In der angrenzenden Wiese liegen unzählige Kanus, denn von hier aus werden Kanuten per Shuttle nach Tariche gebracht, um von dort hierher zurück zu paddeln. Ein herrliches Abenteuer, bei dem es auch einmal ein wenig nass werden kann. Wer lieber den hübschen Ort St. Ursanne erkundigt, erreicht ihn in zehn Minuten Fußmarsch.
St. Ursanne, wie im Mittelalter
Zurecht wird St. Ursanne auch die „Perle des Juras“ genannt, denn es ist ein zauberhaftes, mittelalterliches Städtchen. Als wäre die Zeit hier stehengeblieben, fasziniert das 700 Seelen Dorf mit pittoreskem Charme und bewahrt standhaft sein reiches, kulturelles Erbe. Dafür wurde es sogar von der Welttourismusorganisation als eines der Best Tourism Villages ausgezeichnet.
Gegründet wurde St. Ursanne im 7. Jahrhundert vom irischen Mönch Ursicinus, der sich in einer Höhle oberhalb des heutigen Ortes niederließ. Seine Gebeine sollen bis heute in der romanischen Stiftskirche ruhen, die zusammen mit dem frühgotischen Kreuzgang zu den architektonischen Höhepunkten zählt. Der Zugang zur Altstadt erfolgt nach wie vor über drei perfekt erhaltene historische Stadttore und eine steinerne Brücke aus dem 18. Jahrhundert. Mittig wird sie von einer Statue des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk geziert.
Alle zwei Jahre verwandelt sich St. Ursanne beim Mittelalterfest „Les Médiévales“ in eine lebendige Kulisse vergangener Zeiten. Wir haben dieses schöne Fest und die Reise in die Vergangenheit leider nicht erlebt, aber wer weiß…in zwei Jahren vielleicht. Gewohnt haben wir hier jedoch sehr authentisch in der Peanut Medieval Lodge, die eine Atmosphäre, wie anno dazumal – gepaart mit moderner Technik – vermittelt. Im Schwesterhotel gibt es sogar ein kleines Spa, das man für bestimmte Zeitfester buchen kann.
St. Ursanne ist ein lebendiges Beispiel für nachhaltigen Tourismus sowie der Bewahrung von Kulturgut und somit sicher ein Wiederkommen wert!
Parc du Doubs – kurz zusammengefasst:
Der Naturpark Doubs erstrec kt sich von den steilen Ufern des Flusses zwischen Les Brenets und Saint-Ursanne bis hinauf zu den Jurahöhen. Sein Gebiet umfasst 16 Gemeinden in den drei Kantonen Neuenburg, Bern und Jura – darunter auch die größeren Orte La Chaux-de-Fonds, Le Locle und Saignelégier.
INFOS:
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Wer sich für das sehr spezielle Thema Absinth interessiert, das hier seine Geburtsstätte hatte, wird in der Maison Absinth umfassend informiert: